PORZELLAN-MONATSOBJEKT NOVEMBER 2015
DER WIENER PORZELLANMALER LEOPOLD LIEB (1771 - 1836)
Leopold Lieb war einer der vielseitigsten Maler an der Wiener Porzellanmanufaktur und dort von 1800 bis 1836 tätig. Ab 1792 besuchte er die Wiener Akademie (Ausbildung im "Historienfach"). Er führte an der Manufaktur die Malernummer 81, viele seiner bedeutenderen Malereien sind jedoch nicht damit versehen, sondern wurden in den Malerbüchern der Manufaktur (heute im Österreichischen Staatsarchiv) festgehalten.
Im Nachlaß der Wiener Porzellanmanufaktur (heute im MAK, Wien) ist eine mit "LL" signierte Zeichnung erhalten, die den gefangenen Amor auf einer Untertasse zeigt (abgebildet bei: Waltraud Neuwirth: Wiener Porzellan, Formen und Dekore des Biedermeier, Tafel-, Kaffee- und Teegeschirre, Wien 2012, S. 125). Dieses beliebte Motiv ist nicht nur häufig auf Porzellan, sondern auch auf Gläsern der Kothgasser-Werkstätte zu sehen, die wohl von Lieb damit bemalt wurden.
In den Maler-Einschreibbüchern sind die Motive "Amoretten im Kerker" bzw. "Amor im Kerker" für Leopold Lieb in den Einträgen der Jahre 1820, 1821, 1825 und 1826 notiert.
Vor einiger Zeit entdeckte ich das Fragment eines Büchleins von Franz Anton de Paula Gaheis (1763 - 1809), der durch seine "Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden um Wien" (ab dem Ende des 19. Jahrhunderts in mehreren Ausgaben erschienen) bekannt wurde.
Die mir vorliegende fragmentarische Ausgabe enthält die "Wanderung von Wien nach Greifenstein. (Den 4. Junius 1797, und durchgesehen 1801.)"
Für mich war diese Schilderung der Wanderung nach Greifenstein deshalb so interessant, weil darin neben anderen Akademieschülern auch der spätere Wiener Porzellanmaler Leopold Lieb vorkommt (Gaheis, S. 61-64):
Plötzlich öffnete sich ein freyer Boden und zu oberst auf demselben die Aussicht auf das Bergschloß G r e i f e n s t e i n. Wir fielen im eigentlichsten Sinn auf unser Angesicht, Theils weil die Spiegelglätte unserer Sohlen in dem hohen Grase des steilen Abhanges keinen geraden Schritt erlaubte, Theils weil wir wirklich von der erstaunlichen Mittagshitze ermüdet, der Ruhe nöthig hatten, vorzüglich aber um von einem so günstigen Standpunkte den Umriß des Schloßes zu betrachten. Wir weideten uns sowohl an dem Anblicke, als an dem köstlichen Geruche der Bergkräuter, vorzüglich des Salbey, der auf diesem Platze rund um das Schloß in grosser Menge wächst.
Wir bedauerten eben die Kaltblütigkeit der vaterländischen Künstler gegen die einhelmischen wirklich sehr mahlerischen Scenen der Kunst und Natur, die oft den italienischen und Schweizer Prospecten an die Seite gestellt werden könnten: als wir aus der obern Waldung einen Menschen mit einem Regenschirm und einem grossen Buche heraus kommen, und sich, den Blick unabgewendet auf das Schloß gerichtet, lagern sahen. Wir erstiegen den Gipfel weiter, und entdeckten auf einer andern Seite wieder drey Menschen in der nähmlichen Lage. Wir näherten uns ihnen, und entdeckten zu unserm nicht geringen Vergnügen, daß es vier Jünglinge aus der k. k. Akademie der bildenden Künste sind, welche in verschiedenen Manieren das Aeußere und Innere des Schloßes aufnahmen. Man wollte ihnen den Zutritt in das Schloß nicht gestatten; weil man sie für Leute hielt, welche Zaubereyen treiben, oder das Christophorus-Gebeth bethen wollen. Nur durch den Ausspruch der edelmüthigen
S c h l e i c h e r [Anm.: die Schiffmeisterin Barbara Schleicher], welche in eben dem Grade Freundinn des Geschmacks, als der Menschen ist, und welche das Besorgniß der Greifensteiner nur mit einem sanften Lächeln verscheuchte, erhielten sie freyen Zutritt in das Schloß, nachdem sie sich zuvor alle vergebliche Mühe gegeben hatten. Ihre uns werthen Nahmen sind: L o r e n z K r o i s , C a r l R u ß , L e o p o l d L i e b , und A n t o n S p r e n g . Ihre Arbeiten zeigten, daß sie für die Kunst geboren sind, wenn es uns nicht schon die Beschwerden gezeigt hätten, die sie, ohne dazu einen Auftrag zu haben, der Kunst zu Lieb übernahmen. Wie sehnsuchtsvoll wünschten
wir, bei unsern Wanderungen solche Begleiter zu haben, die den Freunden der Natur und des Vaterlands das jedes Mahl im Bilde gäben, was wir in schwacher Sprache darzustellen unvermögend sind! – Die Gruppe, die wir machten, würde selbst in einem Bild nicht ohne Interesse seyn. Wir saßen auf einem Plätzchen hinter Gebüschen, jeder war mit seiner Zeichnung beschäftigt, zur Seite lag eine Flasche mit Wasser und Wein (das ganze Sonntagsmahl dieser jungen Priester der schönen Künste !), unser schwarzes Hündchen ihnen den Ueberrest ihres Brotes wegtragend, und vor uns hin ein alter Mann, der ohne Betteley auf einem Baumblatte Stückchen blies, wie sie die Hirten auf der Schönbrunner Strasse aus Trompeten, oder die glücklichen Schweizer auf ihren Alpen unter dem Nahmen K ü h r e i h e n zu blasen pflegen.
Neben Leopold Lieb wird auch Karl Ruß erwähnt, der wohl mit jenem Maler identisch ist, der von 1779-1843 lebte und Kammermaler von Erzherzog Johann war. Ein Maler Anton Spreng (1770-1845) ist ebenfalls bekannt. Ein Lorenz Krois, Kupferstecher, wird um 1820 in mehreren Wiener Quellen erwähnt.
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Fotos: Copyright Dr. Waltraud Neuwirth, Wien
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