PORZELLAN-MONATSOBJEKT FEBRUAR 2015
TEILE EINES PORZELLANSERVICES DER FORM "CALAIS"
Fotos: Copyright Dr. Waltraud Neuwirth, Wien
Auf diesen Serviceteilen, deren Form- und Dekorentwerfer wir nicht kennen, befinden sich die unten abgebildeten Marken. Die Porzellanfabrik Pfeiffer & Löwenstein in Schlackenwerth verwendete unterschiedliche Marken, die die Buchstaben PSL enthalten (auch PuLS kommt vor). Die Angabe "Calais" bezieht sich auf die Serviceform, die wohl um oder vor 1910 entstanden ist und auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch produziert wurde. Die Datierung für den Formentwurf stützt sich auf Serviceteile, die 1910 vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie erworben wurden (Waltraud Neuwirth, Österreichische Keramik des Jugendstils, Wien-München 1974, S. 280, 281, Abb. 179).
Das Service "Calais" wurde zumeist von der Wiener Porzellanmanufaktur Jos. Böck in Schlackenwerth in Auftrag gegeben. Bei den abgebildeten Serviceteilen ist allerdings keine Böck-Marke zu sehen, hingegen ein schwarzes P im Quadrat, das sich wohl auf die Dekoration bezieht, die ebenfalls in Schwarz gehalten ist. Die Identifizierung dieser Dekormarke war bisher nicht möglich.
Firmendaten in zeitgenössischen Industrie-Jahrbüchern:
Bild links: Rudolf Hanel, Jahrbuch der österreichischen Industrie 1910, I. Band, Wien 1910, S. 184
Bild rechts: Compass Industrielles Jahrbuch 1936, Čechoslovakei, Prag 1936, S. 515
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurden viele Dekore für Böck von dem Wiener Künstler Emanuel Josef Margold entworfen, der später in Darmstadt tätig war. Auch für die Form "Calais" schuf er, ebenso wie für die Form "Merkur" (Formentwurf: Josef Hoffmann), zahlreiche Dekorentwürfe (Quelle: Waltraud Neuwirth, Österreichische Keramik des Jugendstils, Wien-München 1974, S. 469).
Allerdings versah man die Form "Calais" manchmal auch mit traditionellen Blumen-Streumustern, die meist in Umdrucktechnik ausgeführt wurden (im oben genannten Compass von 1936 wird eine eigene chromolithographische Druckerei angeführt, aber auch Jos. Böck in Wien hatte verwendete in der firmeneigenen Dekorabteilung häufig Umdruckbilder).
oben: Blumenstreubilder im Umdruckverfahren
Dem strengen Wiener Geschmack der Vorkriegszeit entsprach der blaue Streifendekor der oben abgebildeten Tasse mit Untertasse durchaus, doch entnehmen wir der Kennzeichnung, daß er bereits nach 1918 ausgeführt wurde (Marke mit "Czecho Slovakia").
Die Firmengeschichte von Pfeiffer & Löwenstein in Schlackenwerth (heute Ostrov) ist noch nicht gründlich erforscht oder publiziert. Wichtige Daten entnehmen wir den Industrie-Jahrbüchern bzw. den Compass-Bänden sowie im Internet veröffentlichten Seiten.
Zusammenfassung der Firmengeschichte
Gründung 1873 von Josef Pfeiffer und Ludwig Löwenstein, 1900 Übernahme der Fabriksleitung durch die Söhne der Gründer. Arisierung und Verkauf der Firmenanteile von Luise Löwenstein an Josef Pfeiffer, 1945 Verstaatlichung und Zusammenlegung mit der Porzellanfabrik "Concordia" in Lessau (Lesov), Schließung vier Jahre später
(1949). Die Porzellanfabrik in Lessau wurde 1948 in das Unternehmen Karlovarsk porcelán n. p. eingegliedert.
Quellen: Webseiten
http://cestovani.kr-karlovarsky.cz/de/pronavstevniky/Zajimavosti/Krajemporcelanu/Seiten/PorcelankavOstrove.aspx http://cestovani.kr-karlovarsky.cz/de/pronavstevniky/Zajimavosti/Krajemporcelanu/Seiten/PorcelankavLesove.aspx
Tereza Bystroňová schreibt über das Schicksal der Familie Löwenstein:
Am 7. März 1944 wurden im KZ Auβig zwei Transporte likvidiert [sic!], in denen es über fünftausend tschechische Juden gab. Diese Juden wurden hierher aus dem KZ Terezín (Teresienstadt) im Jahr 1943 überliefert. In einem der Transporte war auch Frau Luisa Löwenstein, die Witwe nach dem Mitbesitzer des Ostrover Porzellanwerkes Rudolf Löwenstein, und ihr jüngerer Sohn Bedřich. Ihr älterer Sohn hat sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Er war als Soldat in der brittischen [sic!] Armee und nach dem Krieg kehrte er kurz nach Ostrov zurück. In der volkseigenen Porzellanfirma arbeitete er noch gewisse Zeit als Stellvertreter des Direktors, später wurde er zum Stellvertreter des Betriebsdirektors der Thun Fabrik genannt. Nachher zog er nach Kanada ein, wo er heiratete und mit seiner Frau unter ihrem Namen Bryan lebte. Er starb im Jahr 1984. Die Familie Löwenstein stammt allerdings aus Hroznětín (Lichtenstadt), wo sich damals ein jüdisches Ghetto befand. Erst Ludwig Löwenstein zusammen mit Josef Pfeiffer dem älteren gründete im Jahr 1873 in Ostrov eine Porzellanfabrik. Sein Sohn Rudolf übernahm das Werk im Jahr 1901 und kaufte vor dem Jahr 1920 eine Villa in heutiger Bahnhofstraβe.Im Rahmen der Arisierung wurden offenbar die Grundstücke und die Villa schon im Jahr 1939 enteignet. Sehr ungünstig musste Luise Löwenstein ihren Anteil an der Porzellanfabrik dem Josef Pfeiffer überlassen. In der Fabrikmarke PULS ist jedoch die Initiale des Namens Löwenstein geblieben. Rudolf Löwenstein, der im Jahr 1923 gestorben ist, ist auf dem jüdischen Friedhof in Karlsbad begraben. Luisa und ihr Sohn haben keinen Grab. Josef Pfeiffer ist am 1. 2. 1829 geboren und starb am 24. 7. 1912 in Ostrov, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn begraben ist.
Quelle: http://www.gymostrov.cz/Projekty/Ostrov/OstrovDE.html
Fotos: Copyright Dr. Waltraud Neuwirth, Wien
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