MONATSOBJEKT JULI 2020
Wiener Porzellantassen mit Blumenmalerei
im ersten Jahr (1784) der Direktion Sorgenthal (1784-1805)
In Privatbesitz haben sich sechs Asthenkeltassen mit Untertassen erhalten,
die mehrfach den Jahresstempel 84 (für 1784) tragen, einige Male fehlt jedoch diese Kennzeichnung.
Die Einführung des Jahresstempels durch Sorgenthal war von besonderer Bedeutung, denn dadurch können wir heute die Herstellung der Weißware jahrgenau datieren und auch die Weißdreher identifizieren (17, 21, 23?, 24).
Für die Maler gilt dann das jeweilige Jahr als terminus post quem
(das bedeutet, die Malerei wurde in diesem Jahr oder später ausgeführt).
Auf den abgebildeten Tassen und Untertassen finden wir die
Malernummern 51 (Joseph Prechler) und 103 (Leopold Parmann). Dies gilt allerdings nicht für den Golddekor, der von einem Golddessinmaler ausgeführt wurde, von dem keine Malernummer auf den Porzellanen zu finden ist.
Tasse mit Jahresstempel 84 (1784), s. unten Nr. 6
Nr. 1: Tasse und Untertasse mit Jahresstempel 84, Untertasse mit Malernummer 51
Nr. 2: Tasse und Untertasse mit Jahresstempel 84, Untertasse mit Malernummer 51
Nr. 3: Tasse und Untertasse mit Malernummer 103
Nr. 4: Tasse und Untertasse mit Jahresstempel 84, Untertasse mit Malernummer 51
Nr. 5: Untertasse mit Malernummer 51
Nr. 6: Tasse und Untertasse mit Jahresstempel 84, Untertasse mit Malernummer 51
Links (s. Nr. 2): Unterglasurblauer Bindenschild,
Ritzzeichen: 84 (= 1784), Weißdrehernummer 21 (wohl Johann Georg Hägerer)
Malernummer 51 (= Joseph Prechler)
Rechts (s. Nr. 1): Jahresstempel 84, Weißdrehernummer 17 (Mathias Ruttner)
Deutlich ist zu erkennen, daß (auf dem Foto links) die Zahl 84 (= 1784) eingeritzt wurde; vielleicht stand ein Stempel noch nicht zur Verfügung.
Als der Jahresstempel eingeführt wurde, befand sich natürlich noch viel Weißware ohne Jahresstempel im Magazin. In einer Verordnung der Manufaktur vom 28. Oktober 1783 wird daher festgehalten: "Von dem vorrätigen weißen guten Gut, ist soviel als möglich der zu ergänzen kommenden bund [= bunt] gemalenen Servicen zu verwenden".
Die sechs abgebildeten Tassen mit Untertassen sind ein gutes Beispiel für die
Zusammenstellung neu angefertigter Teile mit Jahresstempel (84 = 1784)
mit vorhandenenTeilen ohne Jahresstempel aus dem Magazin.
Dies trifft auch auf ein 126teiliges Service zu (MAK Ke 10339), das aus vielenTeilen mit dem Jahresstempel 84 besteht; einige wenige tragen den Stempel 85, und einige Stücke wurden vor 1784 gefertigt (daher ohne Jahresstempel). Auch dieses Service ist mit Blumenmalerei geschmückt. Auf der MAK-Webseite sind alle Teile dieses Services zu sehen:
https://sammlung.mak.at/sammlung_online?&q=Ke%2010339
Kennzeichnung der Untertasse (s. Nr. 3): Unterglasurblauer Bindenschild,
Weißdrehernummer 24 (=Joseph Ameseder), Malernummer 103: Leopold Parmann
Untertasse, bemalt von Leopold Parmann (s. Nr. 3 oben)
Leopold Parmann war einer der bedeutendsten Wiener Porzellanmaler. Er führte als Dessin- und Blumenmaler die Nummer 103 und war ab Jänner 1803 Obermaler als Nachfolger Josef Drechslers.
Er trat im Jänner 1778 in die Manufaktur ein; sein "Abgang" wird per 16. September 1816 angegeben (Friedrich Reinhold berichtet in seinem Tagebuch, Parmann wäre
am 20. 8. 1815 "vom Schlag getroffen" worden).
Untertasse bemalt von Josef Prechler (s. Nr. 1 oben)
Josef Prechler (Brechler) war "Kurrent-Blumenmaler" mit der Malernummer 51.
Er ist von 1771 bis 1826 an der Manufaktur nachweisbar und starb am 3. 2. 1827 in Wien.
Alle Fotos: Copyright J. P.