MONATSOBJEKT JÄNNER 2018
PAUL EUDEL: FÄLSCHERKÜNSTE
Dieses 1907 auf Französisch erschienene weitverbreitete Werk enthält in der
1909 von Arthur Roessler herausgegebenen und ergänzten deutschen Ausgabe folgenden Abschnitt über Kopien bzw. Fälschungen von Wiener Porzellan
(S. 144, 145), den ich im Wortlaut hier wiedergebe:
In Österreich wird gegenwärtig Alt-Wien wieder en gros fabriziert. In der Fabrik von Wahliß, dem größten Wiener Porzellanhändler, werden nach echten alten Modellen der aufgelassenen kaiserlichen Porzellanmanufaktur ganz reizende Figurengruppen und Service hergestellt, aber allerdings nicht als alt-echt verkauft, zu "echten" Stücken werden diese Erzeugnisse erst auf dem Umwege des Kleinhandels der Provinztrödler.
Als gelegentlich der Auflösung der Wiener Staatsfabrik im Jahre 1865 die weißen Vorräte verkauft wurden, war versäumt worden, die Marke der kaiserlichen Fabrik, den
österreichischen Bindenschild, von den Händlern und Sammlern der "Bienenkorb" genannt, zu durchschlagen. Der im Abschnitt "Email" erwähnte Händler Weininger und ein aus Ungarn in Wien eingewanderter Antiquar S. . . kauften damals den größten Teil der weißen Vorräte auf, ließen die halbgare Ware von jungen Porzellanmalern nach musealen Musterstücken mit den hübschesten Alt-Wiener Dekor versehen und an einzelnen Stellen auch ein wenig "beschädigen". Da sie auch eine ganze Partie noch unglasierter sogenannter Fehlstücke in die Hände gebracht hatten, verfügten sie auf Jahre hinaus über Vorrat. Geduldig und vorsichtig brachten die beiden Händler Stück nach Stück, Gruppe nach Gruppe, Service nach Service auf den Markt. Niemals gab es einen Anstand, denn ihre Stücke glichen genau den schönsten in den Museen erhaltenen, es fehlte auch die echte Marke nicht und nicht die Datierung. Nach einigen Jahren hatte der Händler S. seinen ganzen Vorrat an den Mann gebracht und bei diesem "Geschäft" so viel "verdient", daß er sich über die Leithagrenze in seine Heimat und in Sicherheit zurückziehen konnte, um daselbst in Beschaulichkeit seinen Lebensabend zu genießen. Dem Bearbeiter dieses Buches [Roessler] erzählte das die Tochter des betreffenden Händlers, und sie schien auf die "Findigkeit" ihres Vaters nicht wenig stolz zu sein, denn sie schloß ihren Bericht mit den Worten: "Eigentlich waren es ja doch auch 'echte' Stücke."
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