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MONATSOBJEKT APRIL 2017

VASE MIT DEM GESTEMPELTEN BLAUEN BINDENSCHILD
AUF DER GLASUR

Diese Vase ist ein typisches Beispiel dafür, wie man eine Fälschung gut erkennen kann:

Form, Stil, Farbigkeit, Goldstempel, Abziehbild, blauer Bindenschild auf der Glasur.

Vase Bindenschild Fälschung

Die Fotos dieser Vase verdanke ich einem interessierten Besucher meiner Porzellan-Website,
wofür ich ihm im Namen aller Porzellan-Interessenten danke.

Vase Bindenschild Fälschung Abziehbild

Diese Darstellung (Flora?) im Stil der Angelika Kauffmann (1741-1807) ist meiner Ansicht nach ein Abziehbild, obwohl es auch andere Einschätzungen gibt. Die Gemälde der Künstlerin gelangten durch Stiche von Johann Baptist Cipriani (1727-1785) und Francesco Bartolozzi (1727-1815) auch in die Vorlagenwerke vieler Porzellanmanufakturen. Auch in der Wiener Manufaktur waren sie bekannt. Später verwendete man Umdrucke, womit man billig und rasch Dekorationen auf Porzellan herstellen konnte. Einige Porzellanfabriken des 19. und 20. Jahrhunderts hatten eigene Druckereien.

Vase Bindenschild Fälschung

Dieser Bindenschild ist eindeutig als Fälschung zu erkennen: erstens ist er blau gestempelt
(in der Wiener Porzellanmanufaktur immer gemalt), zweitens ist er in Blau auf der Glasur angebracht (in Wien unter der Glasur).
Ein weiteres Indiz einer Fälschung ist die in Gold gestempelte Zahl 55,
die es in dieser Form in Wien ebenfalls nicht gibt.
Charakteristisch ist auch, was fehlt: der Jahresstempel und die Weißdrehernummer.

Vase Bindenschild Fälschung Goldstempel

Diese Goldornamente sind ebenfalls gestempelt, nicht gemalt!

Wo wurden Objekte wie diese Vase (charakteristisch durch Farbigkeit, Goldstempel, Abziehbild) hergestellt? Ich vermutete schon immer eine Provenienz aus Böhmen.
Dies scheint sich zu bewahrheiten.
In meiner Publikation "Wiener Porzellan – Original, Kopie, Verfälschung, Fälschung" (Wien 1979) hatte ich bereits ähnlich dekorierte Porzellane publiziert, eine Vase hat sogar eine identische Form (S. 393, Abb. 461), ein Teller (S. 394, Abb. 462) zeigt dieselbe figurale Darstellung, dazu noch die Pseudo-Signatur "Kaufmann".

Victoria Altrohlau

Eintragung der Altrohlauer Porzellanfabrik "Victoria" im Adress-Buch der
Keram-Industrie (1913, S. 203)

Viel wichtiger für die Erforschung der Porzellanfabrik ist aber die Marke einer Vase mit vergleichbarer Dekoration (Neuwirth, Wiener Porzellan 1979, S. 404, Abb. 480), die ich seinerzeit zwar beschrieben, aber nicht abgebildet hatte:

in Dunkelgrün unter der Glasur: "VICTORIA AUSTRIA" mit Krone in Gold auf der Glasur

Dies entspricht der Abbildung im Adress-Buch der Keram-Industrie (1913, S. 203)

VICTORIA Altrohlau

Damit gibt es endlich einen Fixpunkt für die Zuschreibung solcher Porzellane, die erst ab 1883 (Gründung der Alrohlauer Fabrik) entstanden sein können, und erwähnenswert ist vor allem, daß im Text zur Fabrik im Adressbuch (s. oben) ausdrücklich festgehalten ist:

Malerei, Druckerei, Aerographenanl.[anlage], Buntdruckerei

Somit haben wir endlich einen Anhaltspunkt für diese Porzellane,
die meist nicht die eigentliche Fabriksmarke (VICTORIA AUSTRIA, s. oben),
sondern den gefälschten Wiener Bindenschild tragen.


Es gibt natürlich noch zahlreiche andere böhmische und deutsche Fabriken, die ähnliche Massenware gegen Ende des 19. Jahrhunderts (und bis ins 20. Jahrhundert hinein) erzeugten.

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Fotos (außer die Fotos der Vase): Copyright Dr. Waltraud Neuwirth, Wien

Danke für Ihr Interesse an meiner Website. Wenn Sie meine aktuellen Informationen erhalten wollen,

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waltraud.neuwirth1@chello.at